Liebste Grüße an alle
vom anderen Ende der Welt!
Heute ist es mal wieder an
der Zeit, dass ich mich bei euch melde und einen kleinen Bericht des
aktuellen Standes abgebe.
Der erste Term diesen
Jahres konnte trotz Fluten pünktlich am 30.01. beginnen, auch wenn
einige Schüler erst mit leichter Verspätung nach Warwick kamen.
Im Internat haben wir
jetzt 75 Mädels und ich glaube, circa ein Drittel davon sind neue
Schülerinnen.
Für mich gibt es seit
diesem Term eine Menge mehr an Arbeit, sodass ich unter der Woche so
gut wie 12 Stunden pro Tag arbeite. Aufgrund von personellen
Einsparungen an Aufsichtspersonen im Internat muss ich jetzt montags
bis donnerstags abends mit den jüngeren Mädels (7.-9. Klasse)
Hausaufgaben machen, ihre Handys einsammeln und, zu meiner
Überraschung und irgendwie auch Freude, Gute-Nacht-Geschichten
vorlesen.
Es ist eine nette
Beschäftigung am Abend und ich bin nicht ganz so einsam, jetzt da
all meine Mitbewohnerinnen nicht mehr in Warwick sind. Natürlich ist
es nicht ganz einfach, die Kleinen dazu zu bewegen, ihre Hausaufgaben
zu machen, geschweige denn sie ordentlich zu machen. Der einzige
Nachteil an der ganzes Sache ist, dass ich jetzt ständig furchtbar
müde bin und das halbe Wochenende verschlafe.
Doch die Tatsache, dass
eine Schulwoche so sehr schnell vergeht, macht alles andere wett.
Glaubt es oder glaubt es
nicht, aber bald bin ich schon wieder auf dem Weg nach Hause! Über
zwei Drittel meines Aufenthaltes in Australien sind jetzt schon
vorüber und es ist unglaublich, was ich hier alles gesehen, erlebt
und gelernt habe. Vor Weihnachten habe ich begonnen eine Liste mit
„ersten Malen“ aufzustellen, die hier passiert sind, und es ist
wirklich toll, wie weit ich mich doch entwickelt habe, seit ich ans
andere Ende der Welt gekommen bin.
Wenn mich jemand fragt, ob
ich es bereue, ein Gap Year gemacht zu haben, kann ich ihnen keine
klare Ja/Nein-Antwort geben. Würde ich es nochmal machen? -
Vielleicht.
Die Sache ist, dass ich
Australien sehr genieße und mich glücklich schätze, dieses
Abenteuer zu erleben. Auf der anderen Seite aber, fällt es mir sehr
schwer so weit von meinen Liebsten entfernt zu sein. Und wenn ich
höre, wie andere ihr Auslandsjahr verbringen, werde ich sehr
neidisch, da meines hauptsächlich aus Arbeit besteht.
Nichtsdestotrotz will ich
mich an dieser Stelle nicht beschweren, denn die Erfahrung der harten
Arbeitswelt muss jeder früher oder später machen. So komme ich
wenigstens auch nicht aus dem Rhythmus und empfinde Uni dann
vielleicht sogar als entspannend.
Die Menschen, die ich hier
kennengelernt habe, und die Kinder, mit denen ich arbeite, sind
einzigartig und ich werde sie nie vergessen.
Das bringt mich zu einer
Geschichte, die ich euch furchtbar gern erzählen möchte:
Auch mein Tagesplan in der
Schule hat sich diesen Term verändert. Da es in der Junior School
jetzt eine Lehrerassistentin weniger gibt, wurden mir zwei Klassen (1
+ 2) zugewiesen, zwischen denen meine Stunden jetzt aufgeteilt
werden. In der zweiten Klasse gibt es einen Jungen mit Asperger
Syndrom, einer Form von Autismus, bei der Betroffene als äußerst
intelligent gelten. Er hat Probleme sich auf seine Arbeit zu
konzentrieren, die kleinsten Dingen können ihn zum Ausrasten bewegen
und er versteht gewisse soziale Signale und Aussagen nicht.
Als ich ihn vergangenen
Juli kennengelernt habe, wollte er kein Wort mit mir reden, nicht
davon zu sprechen, sich von mir helfen zu lassen.
Doch nun ist er zu einer
meiner Hauptaufgaben in der Schule geworden.
Und mit ihm habe ich den
wohl schönsten Moment meiner bisherigen Arbeit in Warwick erlebt:
Durch unsere täglichen
Einzelsitzungen über Rechtschreibungstests und Mathe-Aufgaben haben
wir eine gewisse Verbindung aufgebaut und als ich die Klasse eines
Tages zum Sportunterricht begleitet habe, nahm er meine Hand und
wollte nur mit mir Basketball spielen. Zwei Anmerkungen an dieser
Stelle: 1.) Meine Rolle beim Sportunterricht ist hauptsächlich,
Materialien zu besorgen und die Klasse zu unterhalten, für den Fall,
dass die „Kinder mit besonderen Ansprüchen“ eine Art Anfall
bekommen. Und 2.) Autistische Kinder mögen Körperkontakt nicht und
sind meist recht linkisch. Iggy kann beispielsweise den Basketball
nicht richtig prellen. Nichtsdestotrotz hat er mit mir zusammen
einige Ballübungen gemacht und nach einer gewissen Zeit sogar
Gefallen daran gefunden. Für gewöhnlich streuselt er im
Sportunterricht einfach durch die Gegend, ignoriert die Lehrerin und
macht sein Ding. Aber jetzt fängt er an, es wenigstens zu versuchen,
wenn auch nur mit mir.
Das hat mir bewiesen, dass
meine Arbeit hier nicht sinnlos ist, sondern die Kinder davon
profitieren, dass wir hier sind. Es hat mich wirklich sehr stolz
gemacht und jeder dieser Erfolgsmomente gibt mir ein sehr gutes
Gefühl.
Ein Highlight der letzten
Wochen war der Valentinstag. In der Schule konnte man
Schokoladenkekse in Herzform an seinen Valentin schicken und am Abend
habe ich die Senior-Internatsschülerinnen zu einer netten
Veranstaltung an der Schule begleitet. Die Seniors im Jungeninternat
haben für dich Mädels gesungen und anschließend gab es einen
netten (und riesigen) Kuchen. Das war wirklich süß.
Genau ein Jahr zuvor lag
ich zum Valentinstag in Österreich im Krankenhaus auf einer Liege
mit einigen Bänderrissen. Und dieses Jahr war ich eben am anderen
Ende der Welt.
Nächstes Jahr, Drops...
Ansonsten gibt es nicht
viel zu erzählen, fürchte ich.
Letztes Wochenende hatte
ich eine allergische Reaktion und habe deshalb viel entspannt.
Dieses Wochenende bin ich
krank (nur eine Erkältung, keine Sorge) und faulenze deshalb mehr
oder weniger rum.
Die Planung für den
Urlaub mit Mama und Willi habe ich gestern endlich beendet – alles
ist gebucht und zumindest Anzahlungen sind gemacht.
Gestern war ich mit Andrew
und Daniel beim Geocaching und wir haben tatsächlich zwei Caches
gefunden.
Der Countdown läuft schon
fast – 15,5 Wochen und ich bin wieder daheim.
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